„AWMF-LL Peripartale Blutungen“ und „PPH-Algorithmus 2022“

Leitlinie zu Diagnostik und Therapie von geburtsbedingten Blutungen unter Federführung von PD Dr. med. Dietmar Schlembach überarbeitet

Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) hat die S2k-Leitlinie Peripartale Blutungen, Diagnostik und Therapie herausgegeben. Es handelt sich um eine vollständig neue Überarbeitung der Vorgängerversion aus dem Jahr 2016.

„Verschiedene Ursachen, insbesondere mangelnde Gebärmutterkontraktion, Geburtstraumata, Plazenta- oder Gerinnungsprobleme, können – ggf. in Kombination – zu einer PPH führen. Es freut mich, dass es in den letzten Jahren gelungen ist, in Zusammenarbeit mit einem interdisziplinären und interprofessionellen Team von ExpertInnen verschiedener Fachgesellschaften, durch die Erstellung einer Leitlinie mit einem überarbeiteten Handlungsalgorithmus das Management der Notfallsituation „PPH“ zu verbessern.“

PD Dr. med. Dietmar Schlembach (Berlin), Leitlinienkoordinator

Wissen und Erkennen der lebensbedrohlichen Komplikationen sowie von Risikosituation/-faktoren essenziell

Die postpartale Blutung (PPH), also eine mütterliche Blutung nach der Geburt, zählt mit einer Prävalenz von 0,5 bis 1,9 % zu den Hauptursachen der Müttersterblichkeit – auch in der westlichen Welt. Sie stellt eine Notfallsituation dar, die eine rasche Entscheidung und v.a. eine exakte Diagnose und Ursachenanalyse notwendig macht, um die korrekten therapeutischen Maßnahmen in interdisziplinärer Zusammenarbeit rechtzeitig einzuleiten.

Im Deutschsprachigen Raum wird die PPH als ein Blutverlust von ≥ 500 ml (nach vaginaler Geburt) bzw. von ≥ 1000 ml nach Sectio caesarea definiert. Unabhängig vom sichtbaren Blutverlust muss bei klinischen Zeichen eines hämorrhagischen Schocks (Schock-Index (HF / RRsys) > 0,9) von einer PPH ausgegangen werden.
Exakte Anamnese, Ultraschalldiagnostik, Einschätzung eines Blutungsrisikos, präpartale Vorstellung in der Geburtsklinik sowie die rechtzeitige Vorbereitung auf einen erhöhten Blutverlust helfen das Risiko für eine PPH und deren Folgen auf die mütterliche Morbidität und Mortalität zu reduzieren.

Durch das Erkennen vorgeburtlicher Risikofaktoren können vorbeugend Maßnahmen eingeleitet werden. Das Schulen des geburtshilflichen Personals und das Erstellen von Leitlinien bzw. Managementalgorithmen sowie ein unmittelbares leitliniengerechtes Handeln liefern einen entscheidenden Beitrag zur Senkung der Häufigkeit, Morbidität und Mortalität peripartaler Blutungskomplikationen.

Prophylaktische Gabe kontraktionsfördernder Medikamente in der Plazentaperiode reduziert Blutungen nach der Geburt

Verstärkte Nachblutungen treten in der Regel ohne Vorboten beziehungsweise Risikofaktoren auf. Eine engmaschige Überwachung nach der Geburt ist die Basis für eine frühzeitige Entdeckung.

Entscheidende Maßnahme im Rahmen der aktiven Leitung der Plazentaperiode bleibe die prophylaktische Gabe von kontraktionsfördernden Medikamenten sogenannter Uterotonika bei vaginaler und auch bei Kaiserschnittgeburt. Daher, so die Empfehlung der Experten, sollte die „aktive Leitung der Plazentaperiode“ nach vorgeburtlicher Aufklärung der Gebärenden bei jeder Geburt durchgeführt werden. Das verringert nachweislich das PPH-Risiko um bis zu 66 %, verhindert grundsätzlich ca. 50-70% der verstärkten postpartalen Blutungen und reduziert die Notwendigkeit der therapeutischen Anwendung von Uterotonika um ca. 50%.

In weiteren Kapiteln beleuchtet die Leitlinie unter anderem medikamentöse Maßnahmen zur Behandlung, Uterustamponade, operative Maßnahmen, interventionell-radiologische Maßnahmen, Hämostase und Gerinnungsmanagement sowie dem Transport im Rahmen des Schnittstellenmanagements zwischen Kliniken als auch der außerklinischen und der klinischen Geburtshilfe.

Komplett überarbeiteter Behandlungsalgorithmus „PPH 2022“

Für den „schnellen“ Blick im Arbeitsalltag wurde das Management der PPH in einem Algorithmus „PPH 2022“ übersichtlich und schnell verfügbar zusammengefasst (s. Abbildung).

PPH Algorithmus 2022 nach aktualisierter Leitlinie 

Verständliche Kommunikation im Sinne der Patientensicherheit

Mit Blick auf die Patientinnensicherheit und im Sinne einer gemeinsamen Entscheidungsfindung soll die Gebärende/Wöchnerin und ihre Begleitung möglichst von Beginn an in verständlicher Weise über die Blutung und das Vorgehen informiert werden. Zudem schlagen die AutorInnen vor, dass eine Person aus dem beteiligten geburtshilflichen Team mit der Frau und ihrer Begleitung ein strukturiertes Nachgespräch führt.

Hier finden Sie die vollständige Leitlinie: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/015-063


Leitlinien sind Handlungsempfehlungen. Sie sind rechtlich nicht bindend und haben daher weder haftungsbegründende noch haftungsbefreiende Wirkung.